Medikamentenmangel in Deutschland: Wenn lebenswichtige Arznei fehlt

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Der Mangel an Medikamenten ist in Deutschland ein ernstzunehmendes Problem, das sowohl Patienten als auch medizinisches Fachpersonal vor immense Herausforderungen stellt. Ein aktueller Test, der von der ARD durchgeführt wurde, verdeutlicht die prekäre Lage und gibt Einblicke in die Hintergründe der Lieferengpässe. Dieses Problem betrifft nicht nur verschreibungspflichtige Medikamente, sondern in wachsendem Maße auch frei verkäufliche Arzneimittel.

Das Problem am Beispiel eines Patienten

Gerd Springer, ein Patient mit schwerwiegenden Vorerkrankungen wie mehreren Herzinfarkten und einer Hirnblutung, ist auf lebenswichtige Medikamente angewiesen. Doch der Bezug seiner Medikamente gestaltet sich schwierig. Wiederholt war sein Blutdruckmedikament Rosuvastatin nicht lieferbar. Die Folge: Stress und Unsicherheit für einen Patienten, der ohnehin gesundheitlich angeschlagen ist. Apothekerin Tatjana Zambo, die sich um seine Versorgung bemüht, berichtet von ähnlichen Problemen bei anderen wichtigen Präparaten, darunter Antibiotika, Asthmasprays und sogar Krebsmedikamente.

Die Dimension des Problems

Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen derzeit rund 500 Medikamente auf der Lieferengpassliste. Experten wie Apothekerin Zambo vermuten jedoch, dass die tatsächliche Zahl weit höher liegt. Besonders betroffen sind Generika – also preiswerte Nachahmerpräparate, deren Patentschutz abgelaufen ist. Diese machen etwa 80 % der Medikamentenversorgung in Deutschland aus.

Hintergründe der Lieferengpässe

Arzneimittelexpertin Ulrike Holzgrabe von der Universität Würzburg benennt die Ursachen: Die Verlagerung der Generikaproduktion nach Asien, insbesondere nach China und Indien. Dieses Outsourcing begann Anfang der 2000er-Jahre, als durch Reformen wie Rabattverträge und Festbeträge der Druck auf die Pharmaindustrie erhöht wurde. Europäische Produktionsstätten wurden geschlossen, da die Herstellung in Asien deutlich günstiger war.

Heute werden etwa zwei Drittel aller Generika in Asien produziert. Das betrifft auch günstige, aber essentielle Medikamente wie Antibiotika. Ein drastisches Beispiel zeigt, dass Hersteller für ein Antibiotikum nur 1,90 Euro pro Flasche erhalten – ein Preis, der eine Produktion in Europa kaum rentabel macht.

Die Rolle der Krankenkassen

Seit 2006 können die gesetzlichen Krankenkassen eigene Rabattverträge mit Pharmaherstellern abschließen. Dies sollte die Kosten für die Versicherten stabil halten, hat jedoch dazu geführt, dass immer weniger Hersteller für ein bestimmtes Medikament zuständig sind. Kommt es bei einem dieser Hersteller zu Problemen, entstehen sofort massive Versorgungsengpässe. Dies betrifft sogar Kochsalzlösungen, die für Infusionen und Operationen unverzichtbar sind. In einigen Fällen mussten Operationen bereits verschoben werden.

Folgen für die Gesundheitsversorgung

Der Mangel an Medikamenten führt zu erheblichen Mehrkosten und Mehraufwand in Kliniken und Apotheken. Krankenhausapotheker wie Kirstin Heinrich berichten von einer Vollzeitkraft, die ausschließlich damit beschäftigt ist, Engpässe zu managen. Ärzte sind zunehmend gezwungen, auf Ersatzmittel auszuweichen, was die Kosten weiter in die Höhe treibt. Allein eine Klinik kalkuliert mit rund einer Million Euro Zusatzkosten pro Jahr.

Politische und wirtschaftliche Lösungsansätze

Die Europäische Union plant Maßnahmen, um die Abhängigkeit von Asien zu verringern. Dazu zählen Investitionshilfen, Bürokratieabbau und eine erhöhte Lagerhaltung. Ein Beispiel ist die geplante Paracetamol-Produktion in einer neuen Fabrik in Frankreich. Allerdings wird auch hier der Großteil der Vorstufen weiterhin aus China bezogen. Laut Holzgrabe bleibt Europa in absehbarer Zeit auf Asien angewiesen.

Die Perspektive der Patienten

Für Menschen wie Gerd Springer bleibt die Situation schwierig. Zwar konnte seine Apothekerin die benötigten Medikamente durch Umwege beschaffen, doch der Stress bleibt bestehen. Die Hoffnung liegt auf schnellen und nachhaltigen Maßnahmen, um die Versorgungssicherheit wiederherzustellen.

Fazit: Der Medikamentenmangel in Deutschland ist ein Symptom eines globalisierten und stark auf Kostenreduzierung fokussierten Gesundheitssystems. Patienten, Ärzte und Apotheker tragen die Last dieser Fehlentwicklung. Nur durch ein Umdenken in Politik und Wirtschaft kann die Situation langfristig verbessert werden.